Kommentar von Hannes Gasser, Head of Account Management Webrepublic AG, zu den Sessions am Morgen des zweiten Tages der Internet World Expo 2012 in London.
Die morgendlichen Sessions am zweiten Tag führten ungeschönt zu Tage, welche Form und vor allem welche Ziele Referate haben, wenn diese inmitten der eigentlichen Messe stattfinden: Neben der Verbreitung von interessanten Facts und News geht es ebenso sehr um das an den Mann bzw. an die Frau bringen der eigenen Dienstleistung.
Session: "Increasing customer conversion rates by integrating CMS and online shop systems"
Die erste Session am Morgen versprach im Titel das Aufzeigen von Möglichkeiten zur Steigerung der Conversion-Rate auf CMS-Ebene. Bei diesem Versprechen ist es – man ahnt es – grossmehrheitlich geblieben, es handelte sich vielmehr um eine Verkaufsveranstaltung für das e-Spirit CMS System. Die dargebotene Case Study zum Aufbau des CMS für die Websites der Media Saturn Gruppe förderte jedoch einige interessante Punkte zutage.
Die Umstellung eines starken offline Retailers zu einem ebenso starken online Player wurde auch hier begleitet von der Angst, dass durch einen starken online-Push der Offline-Markt bzw. -Umsatz kannibalisiert werden würde. Dies lähmt die online-Aktivitäten und verhindert die nötigen Investitionen in diesen Kanal, was zu maximal mittelmässigen Resultaten führen kann. In der Zeit, die die grossen Brick-and-Mortar-Läden brauchen, bis sie sich tatsächlich entschliessen, ihre Waren auch online anzubieten, haben sich - ein Fakt, dass sich in praktisch allen Retail-Branchen feststellen lässt - bereits fähige und innovative online only Players etabliert und in die Köpfe der User eingebrannt (wodurch das Geschäft der offline Läden zwar nicht kannibalisiert, dafür von extern weggegessen wurde), was es, abgesehen von den erwähnten internen Constraints, nochmal schwieriger macht, sich im Netz durchzusetzen.
Bezüglich der Steigerung der Conversion-Rates gab es herzlich wenig zu vernehmen, die Session beschränkte sich vorwiegend auf die technischen und organisatorischen Specs des beworbenen CMS. Aspekte wie die Onsite-Suche, die Recommendation-Engine und weitere Möglichkeiten der Vergrösserung der Basket Sizes blieben leider auf der Strecke, ebenso wie allfällig integrierte Tracking-Systeme. Es wurde schön aufgezeigt, wie der Homepage Real-Estate zwischen nationalen und regionalen Inhalten aufgeteilt werden kann, ohne dabei die Thematik und die Wichtigkeit der Suchmaschinen-Optimierung auch nur anzuschneiden. All diese Punkte wären elementar, möchte man auf Website-Ebene die Conversion-Rate und die Warenkorb-Grösse maximieren. Auch hier wäre also einmal mehr ein besserer Austausch sämtlicher, dem eCommerce angegliederten Disziplinen von Nöten.
Session: "From analytics to attribution to automation: how to get the full value out of search"
Rund dreimal rund um die Presentation-Booth reichte die Schlange für diese viel versprechende Session, in welcher der Googler James Kent über die Wertschöpfungsmöglichkeiten der Suchmaschine referieren sollte. Nachdem das Publikum über eine halbe Stunde lang gewartet, sich dann in den eng bestuhlten Saal gequetscht und schliesslich die Notebooks gezückt hatte, wurde von den Veranstaltern verkündet, dass der Referent leider abgesagt hat und die Session ausfällt. Aus welchen Gründen und wieso derart kurzfristig der Auftritt abgesagt wurde, ist bis dato leider nicht bekannt, jedoch fügt sich dieser no-show von Google nahtlos in das Bild ein, das der Suchmaschinen-Gigant bereits an der SES in New York abgegeben hatte, nämlich keines. Auch hier in London ist Google de facto nicht präsent, umso tragischer, dass einer der wenigen Referenten aus Mountain View der Internet World UK auf diese Art und Weise fern blieb.
Session: "Mastering customer journies in the multi-device connected world"
Erneut wurde der Autor dieses Textes mit knackigen Buzzwords (customer journies!) in eine regelrechte Sales-Veranstaltung gelockt. Dies muss jedoch nicht per se negativ verstanden werden, wurde ihm doch eine anschauliche Übersicht über die momentanen Herausforderungen der Hersteller von mobilen Webseiten dargeboten.
Alas, nimmt man die Worte des Vortragenden, Duncan Hallas von Netbiscuits, für bare Münze, sollte man bei mobilen Endgeräten je länger je weniger von eigentlichen Webseiten reden. Etwas ganz neues, anderes wird uns über kurz oder lang aus den mobilen Browsern entgegenlachen (HTML 5 sei Dank!). Diese Art der „Website“ wird nur noch wenig damit zu tun haben, wie wir das Netz momentan perzipieren.
Dies ist alles ist Teil des Weges vom Geräte-zentrierten mobilen Internet-Auftritt hin zum User-zentrierten, grundsätzlich Plattform-unabhängigen, will heissen Plattform-spezifisch optimierten Webauftritt. Bis dahin wird insbesondere HTML 5 und die disperse Geräte- und Bildschirmgrössen-Landschaft den Developern noch einige Kopfschmerzen bereiten (ausser natürlich, sie verwenden das Netbiscuit Tactile Framework, mit dem das alles sehr einfach ist). Bis sich die taktilen Layouts, Multiview-Funktionen sowie die dreidimensionalen Layer-Welten fest in das Wesen des mobilen Internets eingebrannt haben, sollten wir uns als User darüber freuen, wenn wir – nach wie vor ein Zufall – mit dem Smartphone auf eine Webseite stossen, die zumindest auf die Bedienung per Finger und nicht mehr auf Maus-Klicks hin optimiert wurde.