08-12-2015

iOS Safari ermöglicht AdBlocking - um was geht’s?

Hannes Gasser

Partner

Apple kündigte Ende Juni 2015 an, im Safari Browser auf den Betriebssystemen iOS 9 sowie OS X (El Capitan) sogenannte «Content Blocker» Apps zu erlauben. Diese Neuigkeit hat in der Branche hohe Wellen geworfen. Denn «Content Blocker» steht dabei sowohl für Werbeeinblendungen wie Third-Party Scripts im Allgemeinen, aber auch für Trackingsoftware oder Cookies im Spezifischen. Diverse Endzeit-Szenarien wurden seit dieser Ankündigung in den einschlägigen Gazetten feilgeboten. Der optimale Zeitpunkt ist nun gekommen, sich Übersicht über die Tatsachen zu verschaffen und darüber zu sprechen, welche kurz- und langfristigen Einflüsse diese Entscheidung haben wird.

iOS Safari ermöglicht AdBlocking - um was geht’s?

iOS Safari ermöglicht AdBlocking

Erstens ist es wichtig festzuhalten, dass Apple diese Blocking-Option nicht fix in Safari einbaut und per default aktiviert. Für Entwickler wird lediglich die Möglichkeit geboten, Apps zu bauen, welche es erlauben, bestimmte Elemente von Websites die mit Safari betrachtet werden zu blocken. Diesen Schritt begründet Apple damit, die Nutzererfahrung zu verbessern. Dies gilt insbesondere für Mobilgeräte, denn in den zum Teil hitzigen Diskussionen zum Thema spielt die Option für das Desktop-Betriebssystem OS X praktisch keine Rolle.

Diese Entwicklungen lösen einerseits Ängste bei den Webseitenbetreibern (keine Werbung heisst keine Einnahmen) und bei den Werbenetzwerken (dito) aus (Link). Andererseits stösst dieser Schritt die wichtige Diskussion dazu an, was mobiles Surfen sein und bieten soll. Third-Party Scripts (Tracking, Werbung, Cookies, etc.) verlangsamen die Ladezeit und «verunstalten» die mobilen Websites, sodass der tatsächliche Inhalt der Seiten in den Hintergrund gerät. Das zusätzliche Gewicht, dass die Third-Party Elemente der Website verleihen, wirkt sich doppelt negativ auf die Nutzererfahrung aus: Einerseits verlangsamt sich die Ladezeit, andererseits kann - je nach Natel-Abo - jedes zusätzlich heruntergeladene Megabyte direkt auf die Rechnung schlagen.

Wie hoch wird die Adaptionsrate sein?

Momentan ist nur schwer abzuschätzen, wie viele User von einer solchen Blocker-App Gebrauch machen würden. Für Chrome auf Android existieren bereits ähnliche Erweiterungen. Ein Blick in Google Play zeigt, dass entsprechende Apps bereits millionenfach heruntergeladen wurden. Die genauen Anteile an geblockten Seiten liessen sich jedoch nicht eruieren. Geht man aber davon aus, dass der Anteil der User, welche eine solche App auf ihrem iOS-Gerät installieren wird, ungefähr dem Anteil der User entspricht, welche jetzt bereits AdBlock-Software nutzen (Link), kann man global mit rund 12% rechnen. In Europa wird der Anteil an AdBlockender-Nutzer auf 24% geschätzt (Link).

Gemäss StatCounter beträgt der Anteil von Safari unter den Browsern auf mobilen Geräten in der Schweiz für den Juli 2015 rund 58% - weltweit sind es rund 25% (Link). Dies ist hoch im Vergleich zu anderen Märkten, da hier der Anteil an iOS-Geräten überdurchschnittlich hoch ist. Deswegen werden die Auswirkungen der angekündigten Änderungen hier in der Schweiz tendenziell stärker ausfallen. Gleichzeitig ist zu konstatieren, dass das mobile Web in der Schweiz - man denke an die mobilen Webseiten der grossen Tageszeitungen - im Vergleich zu beispielsweise amerikanischen Pages moderat bis konservativ mit Real Estate für Werbeeinblendungen umgehen. Dies mag das Bedürfnis, einen Blocker zu installieren, wiederum stark senken.

Generell fürchten sich Seitenbetreiber aber vor einer solchen Software, da sich - zumindest in der Schweiz - direkte Bezahlmodelle für Inhalte (noch) nicht durchzusetzen vermögen und sich diese Seiten vorwiegend über Werbeeinblendungen finanzieren.

Die Entwicklung zum Blocken bestimmter Elemente kann aber auch ein Impuls sein, hin zu besserer Werbung im mobilen Web: Schlecht gemanagte, programmatisch ausgesteuerte Kampagnen über die grossen Werbenetzwerke liefern mitunter semi-relevante Anzeigen und gigantische Overlays mit winzigen «close buttons» strapazieren oft die Nerven der User. Dagegen ermöglichen gut und zielgenau ausgesteuerte Kampagnen, kreative Werbemittel oder auch neue Formen wie Native Advertising tatsächliche Spielformen der Werbung, welche für die Nutzer einen Mehrwert bieten.

AdBlocking als Ansporn für gute Werbung

In der Konsequenz bedeutet dieser Schritt, und die generelle Zunahme an AdBlocking-Software über alle Plattformen, dass Werbung noch relevanter, kreativer und unverzichtbarer werden muss, als sie momentan zu grossen Teilen ist. Dies ist mit einer Platzierung über die grossen Netzwerke sehr gut möglich und bedingt verstärkte Investitionen in die kreativen und konzeptionellen Aspekte einer mobilen Werbekampagne. Dasselbe gilt für Tracking-Software, wo häufig weniger eigentlich mehr ist: Muss man auf seiner Website wirklich 30 Tracking Tools einsetzen, wenn man nur wenige davon tatsächlich auswertet?

Dass Apple damit versucht, seine iAd-Plattform zu pushen und Werbeeinblendungen von Google oder anderen Werbenetzwerken zu sich umzuleiten, ist eine weitere mögliche Erklärung, die im Netz herumgereicht wird. Dafür spricht, dass Apple seine eigene News-App pushen möchte, in der man Werbung platzieren kann: Die iAd, eine App auf Betriebssystem-Ebene, die von Blocker-Apps nicht tangiert werden kann.

Dennoch kann die iAd-App kein Hauptbeweggrund für die ganze Übung sein: Erstens würde diese Entwicklung bezüglich Nutzererfahrung keinerlei Vorteil bringen und zweitens müsste die Verlagerung in ganz grossem Stil erfolgen, um für Apple einen signifikanten Umsatzzuwachs zu generieren, auch wenn Apple auf iAds-Einblendungen 30% der Kosten einstreicht. Drittens und am klarsten dagegen spricht, dass Apple damit Google nicht angreift, sondern eher nacheifert, da Android wie oben beschrieben bereits AdBlock-Apps in Google Play anbietet. Das heisst, Apple will damit gewährleisten, dass sein Browser mit der Funktionalität des grossen Rivalen gleichzieht (Link) und in Bezug auf die Nutzererfahrung nicht abgehängt wird. Google hat die Abwägung zwischen Nutzerverhalten und (fehlenden) Werbeausgaben bereits gemacht und sich für die Nutzer entschieden. Dies, obwohl sich AdBlocker direkt auf Googles Bilanz auswirken, welche sich zu über 90% aus Werbeeinnahmen zusammensetzt. Schätzungen gehen davon aus, dass AdBlocking-Software Google allein im letzten Jahr rund $6.6 Milliarden gekostet hat (Link).

Unser Fazit

Zusammenfassend ist folgendes zu konstatieren: Relevante und smarte Werbung wird toleriert. Überladene mobile Websites (inhaltlich, wie auch bezüglich Gewicht und Ladezeit) führen zu solchen Massnahmen seitens Google und Apple - dies um die Nutzererfahrung zu verbessern. Denn auch die Seitenbetreiber sollen zunächst an ihre User denken und Tracking sowie Werbung entsprechend ihrer maximalen Wirkung einsetzen.

Werbetreibende können daher grundsätzlich beruhigt sein. Wenn es zu dramatisch hohen opt-in Raten von AdBlockern auf mobilen Geräten kommen sollte, würden die Werbeplätze höchst wahrscheinlich nicht verschwinden, sondern bloss über ein anderes - in diesem Falle Apples iAd-Netzwerk gebucht werden können. Dazu muss sich jeder Nutzer selbst die Frage stellen, was er oder sie höher gewichtet: Stärkere Privatsphäre (Cookies), tiefere Datennutzung und Ladezeiten (schwere Websites), irrelevante Werbung dank fehlendem Tracking oder nicht zuletzt auch die Inhalte, die er oder sie konsumiert. Können diese ohne die in Klammern erwähnten Tools und den damit verbundenen Einnahmen überhaupt noch produziert werden?