07-02-2023

YouTube und Connected TV: Warum und wie Fernsehwerbung neu gedacht werden muss

Kevin Haab

Senior Specialist Media Strategy

Jahrzehntelang galt der TV-Markt als sichere Bank für Werbetreibende. Das reichweiten- und kommunikationsstarke Medium ermöglichte es Unternehmen, eine breite Zuschauerschaft zu erreichen. Doch mit dem Aufkommen von Streaming-on-Demand und Connected TV hat sich das Mediennutzungsverhalten verändert. 

Online-Videos haben sich vom reinen «Lean-forward»-Format zu einem hybrid genutzten Medium entwickelt, das sowohl unterwegs auf dem Smartphone als auch zu Hause auf dem Sofa geschaut wird. Diese Verschiebung bietet neue Chancen für ein zielgerichtetes Targeting und Bewegtbild-Kampagnen.

Vorteile von Connected TV 

Lineares Fernsehen musste in den vergangenen Jahren vor allem bei der jungen Zielgruppe einen stetigen Reichweitenverlust hinnehmen. Gleichzeitig steigt die Popularität von Streaming-on-Demand weiter an. Davon profitiert insbesondere Connected TV. CTV ist eine Kombination aus Fernsehen und Internetzugang und ermöglicht es Nutzer:innen, Online-Inhalte auf dem Bildschirm ihres Smart-TVs abzurufen. Damit können Anbieter Personengruppen erreichen, die kein lineares Fernsehen konsumieren. Eine Studie von Goldbach im Jahr 2022 ergab, dass bereits 75 % der Befragten in der DACH-Region einen Smart-TV nutzen. Laut dem IGEM-Digimonitor 2022 ist der Anteil an Personen, die «Internet-Inhalte» über das TV-Gerät empfangen, seit 2020 um 71 % − auf fast 2.5 Mio. Personen in der Deutsch- und Westschweiz − angestiegen. CTV besitzt folglich eine breite Reichweite und erlaubt es, die digitalen Stärken des Targetings zu nutzen. 
 

«Lean-back»- und «Lean-forward»-Kanäle

Lange Zeit galten Werbespots im linearen Fernsehen trotz der rückläufigen Nutzung gegenüber Online-Video-Kampagnen als überlegen, da sie qualitativ hochwertige Werbekontakte erzielten. Schliesslich wird TV-Werbung bequem vom Sofa aus konsumiert. Zuschauer:innen befinden sich dabei in einer sogenannten «Lean-back»-Haltung: Sie sind entspannt und eher bereit dazu, ihre Aufmerksamkeit auf das Werbeformat, das auf ihrem TV-Bildschirm abgespielt wird, zu richten.

Demgegenüber stehen «Lean-Forward»-Kanäle wie Social Media, auf denen Nutzer:innen deutlich aktiver agieren und bewusst auf der Suche nach bestimmten Inhalten wie etwa einer schnellen Erklärung oder einer kurzen Ablenkung sind. Die Werbeakzeptanz nimmt dabei deutlich ab. 

Jedoch bedeutet dies nicht, dass «Lean-back»-Kanäle automatisch besser als «Lean-forward»-Kanäle sind, sondern dass sie den Nutzer:innen unterschiedliche Anreize bieten. Werbetreibende sollten ihre Strategie daher an die Erwartungen, die Stimmung und das Verhalten der Konsument:innen auf dem jeweiligen Kanal anpassen, um die grösstmögliche Wirkung für ihre Kampagnen zu erzielen. 
 

Online-Videos als Hybridform zwischen «Lean back» und «Lean forward»

Werbetreibende bewerten Online-Videos oft als schnelllebig und in hohem Masse von der kurzen Aufmerksamkeitsspanne der Verbraucher:innen abhängig. Doch die zunehmend hybride Nutzung auf unterschiedlichen Geräten beeinflusst auch die Art und Weise der Rezeption. Die eindeutige Unterteilung in «Lean back» und «Lean forward» ist deshalb für Online-Videos nicht mehr gegeben.

Ein Paradebeispiel dafür ist die Plattform YouTube, die gemäss der MACH Strategy Studie von 2022 rund 3,5 Millionen Schweizer:innen regelmässig nutzen. YouTube-Videos können sowohl über das Smartphone und den Desktop als auch über CTV − analog zum klassischen Fernsehen − konsumiert werden. Bei CTV wird YouTube somit im «Lean-back»-Modus konsumiert − was den Vorteil hat, dass es eine deutlich geringere «Werbebelastung» als im linearen TV gibt. Zudem werden Videos häufig nicht allein, sondern in Gesellschaft angesehen.

In puncto Werbeerinnerung stehen Online-Videos, die über Connected TV konsumiert werden, dem klassischen Fernsehen laut einer Studie von YouTube in nichts mehr nach.

Dies bestätigten praktische Umsetzungen im letzten Jahr, beispielsweise für Sanitas. YouTube Connected TV war neben den Sendern der SRG und den Meta-Plattformen ein wesentlicher Erfolgsfaktor für die überragenden Resultate unseres Sanitas-Cases.  

In Kampagnenumsetzungen stellten wir regelmässig fest, dass selbst Videos, die eine Abspieldauer von 25 Sekunden überschritten, hohe Video-Completions von bis zu 70 Prozent erzielten, insbesondere dank CTV. Mehrere Marktforschungsprojekte bestätigten die Werbewirkung hinsichtlich Werbeerinnerung, die bei Sanitas letztendlich zu einer signifikanten Beeinflussung der Markenvertrautheit führte und die Präferenzstrukturen für die Kundenakquise im Herbst veränderte.  
 

Fazit: Die Budgetierung und Verteilung von Videokampagnen muss neu ausgerichtet werden

Die steigende Beliebtheit von Connected TV und die erfolgreiche Schaltung langer Werbespots führen dazu, dass das Medium TV von Marketern anders gedacht werden muss. Durch den reichweitenstarken Kanal YouTube und Werbeplatzierungen auf Netflix, die in vielen Ländern bereits möglich sind, ergeben sich neue Optionen neben oder in Kombination mit klassischen linearen Fernsehsendern. 

Daher ist es ratsam, den Nutzen und die Verteilung von Werbebudgets für Videokampagnen neu zu bewerten und die Strategie und Mediaplanung entsprechend anzupassen.

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