07-16-2018

Amazon, einer der wichtigsten Onlineshops in der Schweiz

Foto Fabian Serger @ Webrepublic AG)

Fabian Serger

Wussten Sie, dass Mitte Juli Amazon Prime Day ist? Falls nicht, sollten Sie sich diesen Termin künftig im Kalender rot anstreichen; insbesondere falls für Sie E-Commerce ein Thema ist. Am Amazon Prime Day 2017 setzte Amazon innerhalb von 30 Stunden 600 Mio. Dollar um! Der E-Commerce-Gigant aus Seattle hat sich wie kaum ein anderes Unternehmen in unserem (digitalen) Leben eingenistet. In der Schweiz zählt Amazon bereits zu den Top 3 der beliebtesten Onlinehändler – mit starker Tendenz nach ganz oben.

In diesem Beitrag geht’s um die wachsenden Marktanteile von Amazon und um die Frage, was diese Entwicklung für Schweizer Hersteller und Händler bedeutet. Welche Gefahren und Chancen birgt der forcierte Markteintritt und mit welchen Massnahmen können Unternehmen davon profitieren? Welche Verkaufs- und Werbemöglichkeiten bietet Amazon und wer sollte sich damit auseinandersetzen?

Eine digitale Welt ohne Amazon ist kaum mehr vorstellbar. In Märkten wie den USA oder Deutschland verzeichnet das Unternehmen bereits einen Marktanteil am Onlinehandel von über 40 %. Allein in Deutschland sind über 20 Mio. Unique User pro Monat auf der Plattform aktiv. Dabei sind Amazon-Kunden bemerkenswert loyal: Pro Jahr tätigt jeder von ihnen im Schnitt 41 Bestellungen – bei Prime-Mitgliedern sind es gar über 60. Zudem hat sich Amazon in den letzten Jahren klammheimlich zu einer der wichtigsten und grössten Suchmaschinen weltweit entwickelt. Amazon stellt für immer mehr Nutzer die Single Source of Truth dar: Über 50 % der User starten ihre Produktsuche auf Amazon. Händler oder Produzenten, die auf der Plattform nicht vertreten oder auffindbar sind, verlieren den Zugang zu potenziellen Kunden. Der ehemalige Google-CEO Eric Schmidt warnte bereits 2014: «People think our main competition is Bing or Yahoo. But really, our biggest search competitor is Amazon.»

 

Amazon wächst, auch dank der Schweizerischen Post

In der Schweiz ist Amazon bereits auf Platz 3 bei den wichtigsten Onlineshops, und das trotz hoher Hürden wie eingeschränkter Produktverfügbarkeit und tieferer Liefergeschwindigkeit. Diese Hindernisse werden nun laufend abgebaut: So wurde schon im Frühjahr 2018 bekannt, dass die Schweizerische Post künftig den Import von Produkten für Amazon abwickeln wird. Schweizer Kunden haben damit plötzlich Zugriff auf Millionen von Produkten, die bisher hierzulande nicht verfügbar waren – dazu kommt die Lieferung der Bestellung innerhalb von 24 Stunden. Es ist davon auszugehen, dass das gesamte Amazon-Eigensortiment in der Schweiz verfügbar sein wird, und schrittweise könnte auch das Marktplatz-Sortiment, das bereits 50 % des Amazon-Portfolios ausmacht, in die Schweiz kommen. Amazon kann dadurch den Service für Kunden aus der Schweiz massgeblich verbessern, wodurch für inländische Händler ein weiteres Kräfteverschieben in den Bereich des Möglichen rückt. Besonders stellt sich die Frage, ob Schweizer Hersteller und Händler ihre Produkte künftig auf Amazon anbieten sollen.

 

Lohnt sich Amazon auch für Schweizer Unternehmen?

Mit dem unaufhaltsamen Wachstum des US-Riesen steigt zwar die Dominanz dieses Verkaufskanals, aber es ergibt sich für Hersteller und Händler auch eine Chance auf Wachstum – vorausgesetzt, man öffnet sich der Plattform. Mit einer professionellen Strategie können Unternehmen ihr «Amazon-Schicksal» selber in die Hände nehmen und damit erfolgreich mitwachsen.

Möchte ein Hersteller oder Händler Produkte auf Amazon anbieten, gibt es einige wichtige Punkte zu beachten:

Zielmarkt

Ein Listing von Produkten auf Amazon ist für Schweizer Unternehmen gleichbedeutend mit einer Expansion ins Ausland. Beispielsweise amazon.de (Deutschland, Österreich, Schweiz, Liechtenstein) oder amazon.fr (Frankreich, Schweiz, Belgien). Geht ein bisher national tätiges Unternehmen diesen Schritt, kann es auf Amazons Fulfillment zurückgreifen. Amazon übernimmt dabei Lagerung, Verpackung und Versand der Produkte. Dadurch kann das Business im Ausland ohne eigene Logistikinfrastruktur international skaliert werden. Produkte nur in der Schweiz auf Amazon zu verkaufen ist momentan nicht möglich und das dürfte auf absehbare Zeit auch so bleiben.

Seller oder Vendor?

Neben der Frage des Zielmarkts müssen sich Unternehmen entscheiden, welche Beziehung sie mit Amazon eingehen wollen. Es gibt zwei Möglichkeiten:Seller oder Vendor. Beide Modelle haben Vor- und Nachteile im Hinblick auf die Abhängigkeit von Amazon, die Margen, das Pricing, die Werbemöglichkeiten etc. Wichtig zu wissen: Ins Vendor-Programm werden nur Hersteller aufgenommen, und zwar ausschliesslich auf Einladung von Amazon.

Hersteller sollten sich folgende Fragen stellen:

  • Biete ich meine Produkte bereits auf Amazon an, und wenn ja, auf welchen Marktplätzen?
  • Bieten andere Händler meine Produkte bereits auf Amazon an?
  • Falls ja: Welches Sortiment zu welchem Preis, und wie werden die Produkte von den Händlern präsentiert (Content und Bilder)?
  • Schaltet die Konkurrenz Anzeigen auf meine Marke?
  • Welche Produkte möchte ich auf Amazon verkaufen: bestimmte Kategorien, Bestseller, Restposten, saisonales Sortiment?

Selbst wenn sich ein Hersteller gegen das aktive Anbieten seiner Produkte auf Amazon entscheidet, sollte er sich unbedingt mit dem Amazon-Markenauftritt im Zusammenhang mit seinem Unternehmen befassen. Sonst besteht die Gefahr, dass Suchresultate für die eigene Marke von Drittanbietern oder im schlechtesten Fall von der Konkurrenz übernommen werden. Brand-Bidding auf Konkurrenz-Keywords ist auf Amazon weit verbreitet. Testen Sie es einmal, indem Sie nach Ihrer Marke suchen!

Für Händler stehen folgende Fragen im Vordergrund:

  • Werden die Produkte auch von den Herstellern selbst angeboten?
  • Wie hoch ist der Konkurrenzdruck durch weitere Händler?

Entscheidend dabei ist die Wettbewerbsfähigkeit: Ist das eigene Pricing und Service Level (Versand) konkurrenzfähig? Aus der Antwort leitet sich ab, ob sich der Aufwand lohnt, mit den Produkten ebenfalls auf Amazon einzusteigen.

Potenzial mit einem schlanken Produktsortiment testen

Möchte ein Schweizer Hersteller seine Produkte neu auf Amazon listen, ist ein Initialtest sinnvoll. In einem ersten Schritt sollten dabei nur ausgewählte Produkte auf Amazon angeboten werden, dafür aber richtig umgesetzt. Diese müssen zuvor bezüglich Qualität, Pricing, Content und Bilder sowie Lieferbedingungen auf die Wettbewerbsfähigkeit geprüft werden. Wichtig: Die Mitbewerber müssen fortwährend im Auge behalten werden. Ausserdem ist Geduld gefragt, da es meist etwas länger dauert, bis sich der gewünschte Erfolg einstellt. Das Ziel für den Hersteller sollte sein, die Buy Box zu gewinnen (s. u.). Erweist sich dieser erste initiale Durchlauf als erfolgreich, können weitere Produkte platziert werden. Für Händler gilt tendenziell dasselbe Prinzip.

 

Produkte mit gezielten SEO- und Paid-Massnahmen sichtbar machen

Sind die Produkte erst einmal auf Amazon gelistet, gilt es, sie unter Millionen von Produkten auffindbar zu machen. Denn wie bei Google gilt: Wer nicht gefunden wird, verkauft nichts. Amazon bietet dazu vielfältige Werbemöglichkeiten. Elementar ist eine auf das Produktsortiment abgestimmte Amazon-Marketing-Strategie, die sich nach den individuellen Performance-Zielen richtet.

Suchmaschinenoptimierung: Amazon ist wie Google, oder?

Nein. Hat man Google SEO und SEA gut im Griff, bedeutet dies zwar einen Startvorteil, da die äquivalenten Amazon-Disziplinen zu gewissen Teilen ähnlich sind. Allerdings handelt es sich bei Google um eine reine Suchmaschine, wohingegen Amazon neben einer Suchmaschine vor allem ein Onlineshop ist.

Zunächst ist es für das eigene Produkt von entscheidender Bedeutung, in der SERP (der Suchresultatseite) gefunden zu werden. Hier spielen SEO-Massnahmen wie gut strukturierter Content, Bilder und Backend-Keywords eine tragende Rolle. Sie helfen gleichzeitig dem organischen Ranking auf Google, da Amazon-Ergebnisse dort ebenfalls gelistet werden.

Beispiel einer Amazon-Suchresultatseite

Die Buy Box – der Heilige Gral

Bei Amazon gibt es noch eine weitere Hürde zu nehmen, um den Weg zur sogenannten Buy Box zu meistern. Aufgrund der Amazon-Produktidentifikationsnummer (ASIN) gibt es für jedes Produkt nur ein Suchresultat, aber oft eine Vielzahl von Verkäufern.

Die Buy Box befindet sich auf der Produktdetailseite und ist massgeblich mitverantwortlich für eine gute Performance. Denn nur wer die Buy Box “gewinnt”, erhält die Conversion, wenn ein Kunde auf «Jetzt kaufen» klickt. Alle anderen Anbieter werden mehr oder weniger versteckt angezeigt und müssen meist über ein separates Fenster («Andere Verkäufer») aufgerufen werden. Da User generell den Weg des geringsten Widerstands wählen, bedeutet eine schlechte Buy-Box-Positionierung schlicht, dass nur ein Bruchteil der möglichen Sales erzielt wird.

Beispiel einer Amazon Produktseite

Neben dem Business-Modell (Vendor vs. Seller), Amazon SEO, Content und Buy Box gibt es weitere wichtige Faktoren, welche den Erfolg beeinflussen. Dazu gehören die Pricing-Strategie, Amazon Advertising (Search und Display) sowie auch die Userbewertungen.

 

Ein holistischer Ansatz entscheidet über Erfolg und Misserfolg

Im Vergleich zu Google ist Amazon Marketing wesentlich komplexer. Vor diesem Hintergrund ist ein holistischer Ansatz unabdingbar: Gerade bei neuen Listings braucht es Zeit, bis sich die Visibilität verbessert. Mithilfe von bezahlten Pay-per-Click-Werbeformaten über Amazon Marketing Services (AMS) können diese gepusht und gleichzeitig das organische Ranking positiv beeinflusst werden. Zur Auswahl stehen Sponsored Product Ads, Headline Search Ads sowie Product Display Ads. Darüber hinaus bietet Amazon über die Amazon Advertising Platform (AAP) – wie auch Google DoubleClick – eine programmatische Lösung für Display Advertising an.

Ist man allerdings nicht im Besitz der Buy Box, macht AMS (und oft auch AAP) keinen Sinn, da sonst nur die Konkurrenz vom bezahlten Traffic profitiert. Daher sind eine initiale Analyse und ein fortlaufendes Monitoring essenziell.

Unternehmen sollten sich – falls dies noch nicht geschehen ist – zwingend mit Amazon auseinandersetzen und eine profunde Strategie ausarbeiten. Denn mit Amazon Marketing Services und Amazon Display Advertising bietet das Unternehmen effektive Vermarktungsprodukte für den eigenen Marktplatz an. Und wer möchte, dass seine Produkte auf Amazon im besten Licht erscheinen, sollte sich SEO-Experten mit spezifischem Amazon-Wissen suchen.